Dämmen fürs kleine und große Klima

Die Gebäudedämmung mit einem Wärmedämmverbundsystem (WDVS) ist ziemlich in Verruf geraten. Die üblichen Platten aus Polystyrol, bekannt als Styropor, werden aus Erdöl hergestellt und stehen als endliche und zugleich klimaschädliche Baustoffe in der Kritik. Das Baumaterial ist zwar billig, aber gefährlich im Brandfall und wegen der verklebten Schichten problematisch beim Recycling und in der Entsorgung. Gleichzeitig gibt es viele Alternativen für eine nachhaltigere Dämmung. Verschiedene bautechnische Lösungen und Materialien lassen sich unterscheiden und kommen im Neubau sowie bei nachträglichen Isoliermaßnahmen zum Einsatz.

 

Mit alternativen Materialien nachhaltig dämmen

 

Ein zweischaliges Mauerwerk beispielsweise, eine bekannte Bautradition aus Norddeutschland, besteht aus zwei gemauerten parallel nebeneinanderstehenden Wänden deren Zwischenraum mit Dämmstoff ausgefüllt wird. In den Zwischenraum können etwa Blähglas und Korkschrot gefüllt werden, ebenso Perlite (Vulkangestein), Flocken aus Mineralwolle oder Zellulose sowie verschiedene Granulate. Auch die Ziegelsteine selbst können Dämmstoff enthalten. Technisch anspruchsvoller ist die Errichtung und Dämmung einer sogenannten hinterlüfteten Fassade. Als Dämmmaterial können hier etwa Platten und Matten aus Kokosfaser und Holzweichfasern eingesetzt werden.

Als alternative Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gelten weiterhin Hanf, Flachs, Stroh und Schafwolle sowie Neuerungen wie etwa wollähnlicher Seetang. Dieses Neptungras wird gewonnen aus den Blättern von Algen, die als pflanzenartige Lebewesen im Wasser vorkommen. Im Gegensatz zu anderen natürlichen Isolierstoffen gilt die Dämmung aus Algenmaterial als schimmelresistent. Außerdem kann das Erzeugnis nicht verrotten, ist schwer entzündlich und nach der Nutzung einfach kompostierbar. Das Beispiel zeigt, Dämmstoffe haben besondere Eigenschaften und ihre Eignung und Zulassung für das jeweilige Bauvorhaben müssen im Einzelfall geprüft werden. Wichtig ist hierbei der Wärmedurchgangskoeffizient. Er gibt an, wie viel Wärme pro Zeit durch einen Quadratmeter des Materials hindurchströmt. Eine Dämmung mit Hanf beispielsweise gehört zu den effektivsten und ökologischsten Möglichkeiten, um ein Effizienzhaus zu bauen.

Können nachhaltige Dämmstoffe unser globales Klima retten?

Ob biobasierte Dämmstoffe auch ein Hebel zur Verringerung der Treibhausgasemission sein können, hat eine Studie untersucht. Es wurde bewertet, ob klimaneutrale Dämmstoffe Gebäudeelemente kompensieren können, die zwangsläufig Treibhausgasemissionen freisetzen. Bei dieser außergewöhnlichen Anforderung schnitten Holz- und Bambusbauweisen deutlich besser ab als Betonbauweisen, weil letztere zu große und zu schwere Dämmstoffdicken erfordern würden. Eine Studie der Immobilienakademie IREBS ergab zudem, dass es volkswirtschaftlich sinnvoller sei, möglichst viele Gebäude zu dämmen statt einzelne immer dicker.

So wird inzwischen auch Augenmaß bei der Dämmung gefordert, insbesondere bei Sanierungsmaßnahmen. Alles, was über 14 Zentimeter Dämmdicke hinausgeht, bewirkt nurmehr geringe Einspareffekte bei der Erreichung der Klimaziele, heißt es bei IREBS. So haben die deutschen Immobilieneigentümer im vorigen Jahrzehnt knapp 500 Milliarden Euro in verschiedenste bauliche Maßnahmen investiert, um Wohngebäude besser zu dämmen. Der Einspareffekt war jedoch überschaubar, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet hat. Der Rückgang der Emissionswerte durch die Maßnahmen lag demnach nur bei rund 20 Prozent. Um die Witterungseinflüsse bereinigt, schrumpft der Wert auf unter drei Prozent. Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) lehnt eine einseitige Fokussierung auf die Gebäudehülle ab, da mehr Dämmung auch mehr Kühlung erfordere, insbesondere bei Gewerbeimmobilien. Die Energiebilanz sei entsprechend negativ und auch bei Wohnimmobilien sei der CO2-Effekt kaum messbar, während die Baukosten stark steigen würden.

Maßvolle Dämmung als Königsweg

Immer mehr Dämmung etwa durch die Erhöhung von Neubaustandards führt nur noch zu geringer Energieersparnis, bei deutlich steigenden Kosten, stellt der ZIA zusammenfassend fest. Nach seinen Berechnungen bewirkt die geplante Erhöhung des Standards aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf EH55-Niveau lediglich eine Reduktion von etwa 0,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Dem gegenüber stünden jedoch zusätzliche Kosten von rund 430 Millionen Euro.

Unter dem Strich werden Dämmmaßnahmen für das Erreichen der Klimaziele also nicht genügen. Dennoch wird für Wohn- und Gewerbegebäude eine geeignete, möglichst nachhaltige Dämmung immer wichtiger. Interessant ist es da, dass es auch Gebäude gibt, die ganz ohne zusätzliche Dämmung auskommen können. Wohnneubauten mit einem hochwärmedämmenden Einstein-Mauerwerk beispielsweise bieten ein gesundes Innenklima und hohe Behaglichkeit – völlig ohne eine extra Dämmschicht. Ebenso benötigen Gebäude, deren Außenwände aus Infraleichtbeton errichtet werden, dank der besonderen, bauphysikalischen Eigenschaften keine zusätzliche Wärmedämmung. Bauherren haben also Einiges zu Bedenken, denn wie so oft, führen viele Wege zum Ziel.

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„Nachhaltigkeit ist eine Sache des Teamworks“